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Der Schimmelreiter

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Leseprobe

Wir haben diese Textpassage gewählt, weil wir den Anfang sehr interessant fanden. Er spiegelt außerdem das Buch auch ganz gut wieder.

Was ich zu berichten beabsichtige, ist mir vor reichlich einem halben Jahrhundert im Hause meiner Urgroßmutter, der alten Frau Senator Feddersen, kundgeworden, während ich, an ihrem Lehnstuhl sitzend, mich mit dem Lesen eines in blaue Pappe eingebundenen Zeitschriftenheftes beschäftigte; ich vermag mich nicht mehr zu entsinnen, ob von den "Leipziger" oder von "Pappes Hamburger Lesefrüchten". Noch fühl ich es gleich einem Schauer, wie dabei die linke Hand der über Achtzigjährigen mitunter liebkosend über das Haupthaar ihres Urenkels hinglitt. Sie selbst und jene Zeit sind längst begraben; vergebens auch habe ich seitdem jenen Blättern

nachgeforscht, und ich kann daher umso weniger weder die Wahrheit der Tatsachen verbürgen, als, wenn jemand sie bestreiten wollte, dafür aufstehen; nur versichern, dass ich sie seit jener Zeit, obgleich sie durch keinen äußeren Anlass in mir aufs neue belebt wurden, niemals aus dem Gedächtnis verloren habe.

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 Es war im dritten Jahrzehnt unseres Jahrhunderts, an einem Oktober-Nachmittag - so begann der damalige Erzähler -, als ich bei starkem Unwetter auf einem nordfriesischen Deich entlang ritt. Zur Linken hatte ich jetzt schon seit über einer Stunde die öde, bereits von allem Vieh geleerte Marsch, zur Rechten, und zwar in unbehaglichster Nähe, das Wattenmeer der Nordsee; zwar sollte man vom Deiche aus auf Halligen und Inseln sehen können; aber ich sah nichts als die gelbgrauen Wellen, die unaufhörlich wie mit Wutgebrüll an den Deich hinaufschlugen und mitunter mich und das Pferdmit schmutzigem Schaum besprizten; dahinter wüste Dämmerung, die Himmel und Erde nicht unterscheiden ließ; denn auch der halbe Mond, der jetzt in der Höhe stand, war meist von treibendem Wolkendunkel überzogen. Es war eiskalt; meine verklommenen Hände konnten kaum den Zügel halten, und ich verdachte es nicht den Krähen und Möwen, die sich fortwährend krächzend und gackernd vom Sturm ins Land hineintreiben ließen. Die Nachtdämmerung hatte begonnen, und schon konnte ich nicht mehr mit Sicherheit die Hufen meines Pferdes erkennen; keine Menschenseele war mir begegnet, ich hörte nichts als das Geschrei der Vögel, wenn sie mich oder meine treue Stute fast mit den langen Flügeln streiften, und das Toben von Wind und Wasser. Ich leugne nicht, ich wünschte mich mitunter in sicheres Quartier.Das Wetter dauerte jetzt in den dritten Tag, und ich hatte mich schon über Gebühr von einem mir besonders lieben Verwandten auf seinem Hofe halten lassen, den er in einer der nördlicheren Harden besaß. Heute aber ging es nicht länger; ich hatte Geschäfte in der Satdt, die auch jetzt wohl noch ein paar Stunden weit nach Süden vor mir lag, und trotz allerÜberredungskünste des Vetters und seiner lieben Frau, trotz der schönen selbstgezogenen Perinetten und Grand-Richard-Äpfel, die noch zu probieren waren, am Nachmittag war ich davongeritten."Wart nur, bis du ans Meer kommst", hatte er noch aus seiner Haustür nachgerufen;" du kehrst noch wieder um; dein Zimmer wird dir vorbehalten!" Und wirklich , einen Augenblick, als eine schwarze Wolkenschicht es pechfinster um mich machte, und gleichzeitig die heulenden Böen mich samt meiner Stute vom Deich herabzudränen suchten, fuhr es mir wohl durch den Kopf:"Sei ein Narr! Kehr um und setz dich zu deinen Freunden uns warme Nest." Dann aber fiel's mir ein, der Weg zurück war wohl noch länger als der nach meinem Reiseziel; und so trabte ich weiter, den Kragen meines Mantels um die Ohren ziehend. jetzt aber kam auf dem Deiche etwas gegen mich heran;ich hörte nichts ; aber immer deutlicher, wenn der halbe Mond ein karges Lich herabließ, glaubte ich eine dunkle gestalt zu erkennen, und bald, da sie näher kam, sah ich es, sie saß auf einem Pferde, einem hochbeinigen hagern Schimmel;ein dunkler Mantel flatterte um ihre Schultern, und im Vorbeifliegen sahen mich zwei brennende Augen aus einem bleichen Anlitz an.